Dierk Seidel

Onkel Heiner, Vater Helmut und ein seltsamer Geruch

Es war Samstag. Endlich hatten alle wieder Zeit, bei Oma Inge zum Bratwurst- und Pommesessen vorbeizuschauen. Sogar Onkel Heiner, der mittlerweile wieder nach Kiel gefahren war, hatte sich angekündigt.

„Nehme mir ein paar Tage Urlaub“, schrieb er in die Familien-WhatsApp-Gruppe.

„Was arbeitest du denn eigentlich, Onkel Heiner? Ich dachte, du seist schon im Ruhestand“, fragte mein Bruder Felix. Drei Tage blieb die Frage von Onkel Heiner unbeantwortet. Dann kam seine Antwort:

„Ich nenne es Urlaub vom Leben.“

Nur gut, dass Oma nicht in der Gruppe ist, dachte ich.

Oma überraschte uns diesmal. Es gab Spaghetti mit Sahnesauce. Wir waren schockiert.

Mein Vater ging in die Küche, um mit Oma zu reden. Obwohl er nicht laut sprach, hörte man alles.

„Mutter, wir sind hier für Pommes und Bratwurst. Nicht wegen der Spaghetti.“

„Ach, ihr kommt also nicht wegen mir?“

„Doch natürlich. Das hängt doch zusammen. Bratwurst und Pommes können wir aber doch auch in der City bekommen.“

„Du machst es nicht besser, Sohn.“

„Was riecht hier so seltsam?“, versuchte er sich zu retten.

Sie lachte.

„Du riechst seltsam und nun nimm mal den Topf mit.“

Am Abend schrieb Onkel Heiner in die Familiengruppe:

„Ist euch heute auch der Geruch in Mutters Küche aufgefallen?“

Vater Helmut: „Habe ich doch gesagt, Mutter wollte mir nicht glauben.“

„War bestimmt der Filter des Dunstabzugs. Den muss man alle paar Monate reinigen, steht im Internet“, schrieb Onkel Heiner.

Tante Helene mischte sich ein: „Mutter hat die Küche seit sechs Jahren. Die hat da noch nie was am Dunstabzug sauber gemacht. Sag du ihr das, Heiner, du hast das drauf.“

„Na, gut, aber den Dreck mach ich nicht weg.“

Zwei Wochenenden später. Endlich schaffte ich es wieder, bei Oma vorbeizukommen. Pommes und Bratwurst hatte ich verpasst. Alle außer Onkel Heiner waren schon weg. Wir saßen zu dritt am Küchentisch und tranken Radler. Nach einiger Zeit stand Oma Inge auf und klatschte die Bedienungsanleitung der Dunstabzugshaube auf den Tisch.

„Guckt mal, was ich gefunden habe.“

„Ja, das hattest du mir doch letztens geschrieben, Mutter. Hat denn alles mit der Reinigung geklappt?“

„Du weißt doch, wie ich es mit Anleitungen so draufhabe. Dachte, du könntest das eben machen. Dann kann ich mich mit meinem Enkelkind unterhalten.“

„Mutter, mein Zug geht in einer Dreiviertelstunde.“

„Na, dann beeil dich lieber.“

Onkel Heiner drückte drei kleine Hebel und nahm die drei Metallfilter ab.

„Ach, so einfach ist das“; sagte Oma Inge.

„Jo“, grummelte Onkel Heiner. Dann ging er in den Hauswirtschaftsraum und fing an, zu schrubben. Kochfett aus sechs Jahren.

Heiner sagt immer so Sachen, aber was er in der halben Stunde während der Reinigung vor sich hin maulte, verstanden weder Oma noch ich.

Ich blickte auf die Uhr und ging zu ihm.

„Onkel Heiner.“

„Nur Heiner, bitte.“

„Onkel, dein Zug fährt in zehn Minuten.“

Onkel Heiner nickte mir zu, schrubbte sich nun die Hände und rannte dann mit noch nassen Händen aus dem Haus.

„Oma, hat Onkel Heiner gar keine Tasche oder sowas?“

„Ach, der wohnt doch mittlerweile fast schon hier. Spätestens Mittwoch ist der wieder da. Dann kann er auch diese Gitter wieder einsetzen. Und nun, Kind, mach ich dir noch ein paar Pommes.“